(Rede gehalten am 24.02.2025 vom Fraktionsvorsitzenden Thorsten Retzlaff. Es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat,
die FWG setzt sich seit mehr als 30 Jahren für ein generationengerechtes Kostenbewusstsein ein. Wir sind überzeugt, dass unsere Entscheidungen eine Verpflichtung sind, den zukünftigen Generationen gleiche oder bessere Lebensbedingungen zu hinterlassen.
Dazu gehört, dass wir die vorhandene Infrastruktur – die für ein lebenswertes Oelde steht – erhalten, neue Investitionen jedoch immer unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit und der Finanzierungsmöglichkeit betrachtet werden müssen.
So müssen wir heute feststellen, dass die Haushaltssituation nicht nur temporär unausgeglichen ist, sondern einer strukturellen Schieflage unterliegt. Dass diese Situation so ist, ist nicht ausschließlich das Problem der handelnden Personen dieser Stadt. In NRW sind viele Kommunen betroffenen. Die Landesregierung hat, anstatt die Kommunen
finanziell auskömmlich auszustatten, die Möglichkeit eröffnet, Schulden als Verlustvortrag in das Jahr 2029 zu verschieben.
Auch die Verwaltung nutzt dieses vorgeschlagene Instrument im Haushaltsplanentwurf. Um nicht in die Haushaltssicherung schon im kommenden Haushalt zu rutschen, greifen wir mit dem Verlustvortrag in die buchhalterische Trickkiste.
Das kann man nicht als generationengerecht bezeichnen.
Der Haushaltsplanentwurf 2025 weist ein Defizit von 12,36 Mio. € aus, Erwartungen der Gewerbesteuereinnahmen liegen bei ca. 31 Mio. €. Die Ausgleichsrücklage wird zeitnah aufgezehrt sein.
Der prognostizierte Schuldenstand von 60.35 Mio. € im Jahr 2025 wächst schon 2027 auf 73,73 Mio. € an.
Wir können also in die Haushaltssicherung gehen, Schulden in die Zukunft schieben oder wir sparen jedes Jahr, und das dauerhaft, ca. 6-7 Mio. € pro Jahr ein. Zins- und Tilgungsleistungen werden künftige Haushalte belasten. In diesem Jahr 1,3 Mio. €, zukünftig werden sich diese nach Berechnungen der Verwaltung auf 5 Mio. € erhöhen
Auch ohne zum Pessimismus zu neigen, kann man die Ausgangslage und die Prognosen für die Zukunft als dramatisch ansehen. Herr Jathe spricht in diesem Zusammenhang in seiner Rede zur Haushaltseinbringung von einem finanziellen Orkan und großen Wagnissen, ein deutliches Warnsignal. Ob Bund und Land helfen, ist fraglich.
Was tun? Entweder legen Rat und Verwaltung fest, an welcher Stelle und in welcher Höhe gespart werden soll, oder es wird im Zuge der Haushaltssicherung später jemand anderes tun.
Wir meinen, dass das Heft des Handelns in unserer Hand bleiben muss, damit auch zukünftige Räte Gestaltungsspielraum haben.
Das sieht augenscheinlich auch die Fraktion der CDU so, und schlägt einen Masterplan Finanzen vor. Der Weg könnte der richtige sein. Die Frage ist, warum die CDU die jetzige Situation nicht früher erkannt hat. Als Vorbild dient ihr die Stadt Warendorf, hier gilt seit letzter Woche die Haushaltsperre.
Dies sollten wir vermeiden.
Erfolge werden sich nur zeigen, wenn auch die Verwaltung bereit ist, ernsthaft in den Prozess einzusteigen. Auch ohne die Bereitschaft der Oelder Bürgerinnen und Bürger wird es nicht gehen. Wir müssen die richtigen Signale senden. Notwendige Abstriche sind erforderlich, um
das zu erhalten, was unsere Stadt so lebenswert macht. Der öfter gehörte Spruch der Bürgermeisterin: die Oelder wollen nur Goldstandard, ist nicht mehr realisierbar.
Bezüglich der vorgeschlagenen Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze plädieren wir dafür, zunächst alle Sparpotenziale auszuschöpfen, bevor wir Steuern anpassen. Schwerpunkte unserer Beratungen sind der Infrastrukturerhalt, die Sicherung von freiwilligen Leistungen und damit auch viele ehrenamtlicher Strukturen als Orte des sozialen Miteinanders.
Konkrete Politik zum Erhalt der Infrastruktur
Als konkretes Projekt haben wir den Antrag zum Ersatzneubau der gläsernen Küche gestellt. Den guten Weg des Schulausbaus wollen wir weiter unterstützen, auch den OGS-Ausbau an der Albert-Schweitzer-Schule. Trotz kritischer Hinterfragung der enormen Kostensteigerungen stellen wir das Konzept nicht infrage. Unser Antrag zur vorgezogenen Sanierung der Sporthalle in Sünninghausen fand eine Mehrheit.
Jetzt ist es Ihre Aufgabe, Frau Bürgermeisterin, dem Rat Vorschläge zur Priorisierung vorzulegen, denn unser Stadtbaurat Herr Leson sagt: „Sie können es beschließen, ich kann es nicht umsetzen.“
Wir unterstützen den SPD-Antrag zur Anpassung der Kindergartenbeiträge, um Familien mit geringem Einkommen zu entlasten.
Leider fand das wichtige Thema Schaffung von günstigem Wohnraum keinen Raum in den Beratungen.
Die Glocke hat uns gefragt: Und wie läuft es zwischen Rat und Verwaltung?
Ich kann nur für unsere Fraktion sprechen Die Vorstellungen von generationengerechter Haushaltsführung gehen auseinander. Transparenz und Informationsfluss empfinden wir als mangelhaft. Insbesondere erwarten wir eine frühestmögliche Einbeziehung in vorgesehene Projekte und Überlegungen. Leider müssen wir feststellen, dass die vorgelegten Unterlagen oft nicht aussagekräftig genug sind, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Wie beim Mehrgenerationenhaus. Die Rahmenbedingungen haben sich seit dem ursprünglichen Beschluss zum Masterplan Innenstadt erheblich verändert. Angesichts der Haushaltslage sind die Herstellungs- und laufenden Kosten nicht vertretbar.
Neue Projekte in der Innenstadt verfolgen ähnliche Ziele wie das geplante
Mehrgenerationenhaus. Ein schlüssiges Belegungskonzept wurde uns nicht vorgelegt. Es gibt bereits heute eine bestehende Struktur von Orten, an denen die Aktivitäten stattfinden können, wie das Heimathaus, der Drostenhof, das Bürgerhaus. Auch diese wollen wir nicht gefährden.
Wir erhielten widersprüchliche Angaben zum Stand der Ausschreibungen und zur Förderkulisse. Anders als von der Verwaltung öffentlich berichtet, wurde die Ausschreibung noch nicht versendet, es drohen also auch keine Vertragstrafen Es ist eine 50% Förderung beabsichtigt, der Antrag wird aber erst im September gestellt.
Offensichtlich gibt es innerhalb der Verwaltung unterschiedliche Informationsstände zu diesem Projekt und auch die Fraktionen sind uneinheitlich informiert. Wir haben nie das Seniorenforum und
ihre Veranstaltungen infrage gestellt, kennen auch nicht die Versprechungen, die gemacht wurden.
Frau Bürgermeisterin: wir fragen uns, wie ernst nehmen sie die Rolle des Rates?
Gerade bei baulichen Investitionen halten wir die Projektplanung für fehlgeleitet. Das Budget folgt heute der Planung, nicht umgekehrt. Dies führt zu immensen Kostensteigerungen. Geplante und tatsächliche Ausgaben klaffen regelmäßig weit auseinander, Gesamtkosten bleiben im Dunkeln. Wir müssen umdenken: Die Planung muss sich künftig am Budget orientieren, um Kosten- und Planungssicherheit zu gewährleisten.
Unrealistische „Standards“ sprengen den Rahmen. Künstliche Wasserläufe, oder 75.000 Euro für eine Mehrzweckhallen-Eröffnung, sind schlichtweg nicht finanzierbar. Diese kritischen Bemerkungen, die wir schon öfter geäußert haben, aber wenig Gehör finden, beziehen sich nicht auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung.
An Sie geht unser herzlicher Dank, an Frau Steinberg und Herrn Jathe von der Finanzverwaltung, aber auch an alle anderen in den verschiedenen Fachbereichen für die gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Wir pflegen ein offenes Miteinander mit den anderen Fraktionen und halten die Gesprächskanäle offen. Vielen Dank dafür.
Die FWG steht jederzeit für eine problemlösende Zusammenarbeit bereit.
Unsere Ablehnung des Vorjahreshaushalts beruhte auf unterschätzten Aufwandsteigerungen und fragwürdigen Einnahmeprognosen. Die aktuelle Lage hat sich weiter verschlechtert. Der neue Haushaltsplanentwurf erfüllt nicht unsere Anforderungen an generationengerechtes Kostenbewusstsein und klaren Ausgabenprioritäten.
Es ist höchste Zeit für einen Kurswechsel hin zu Realismus und verantwortungsvollem Umgang mit öffentlichen Mitteln. Wir wollen uns in der aktuellen schwerwiegenden Lage diesem Prozess nicht entziehen.
Frau Bürgermeisterin: Unter starken Vorbehalten stimmen wir dem Haushalt zu. Die Verwaltung sollte dies aber nicht als Freifahrtschein für ein weiter so annehmen.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit